german

Imaginary Life History

english translation

Imaginary Life History

original German poem

“Imaginärer Lebenslauf”

Imaginärer Lebenslauf
  
  
Erst eine Kindheit, grenzenlos und ohne
Verzicht und Ziel. O unbewußte Lust.
Auf einmal Schrecken, Schranke, Schule, Frohne
und Absturz in Versuchung und Verlust.

Trotz. Der Gebogene wird selber Bieger
und rächt an anderen, daß er erlag.
Geliebt, gefürchtet, Retter, Ringer, Sieger
und Überwinder, Schlag auf Schlag.

Und dann allein im Weiten, Leichten, Kalten.
Doch tief in der errichteten Gestalt
ein Atemholen nach dem Ersten, Alten . . .

Da stürzte Gott aus seinem Hinterhalt.

 

     — Rainer Maria Rilke
           (Original German poem)

Imaginary Course of Life
  
  
First a childhood, limitless and without
renunciation and goal. O unconscious delight.
Suddenly, terror, limit, school, drudgery,
and the fall into temptation and loss.

Defiance. The bent child becomes himself the bender,
and revenges on others what he succumbed to.
Loved, dreaded, rescuer, wrestler, winner
and conqueror, blow on blow.

And then alone in vastness, light, cold.
But deep in the grown-up character,
a gasping for the first, the old [world]. . . .

Then God leapt out from his place of ambush.

 

     — Susan McLean
           (Literal translation of the original poem)

 

 

Rainer Maria Rilke

Rainer Maria Rilke (1875 – 1926), born René Karl Wilhelm Johann Josef Maria Rilke, understood the power of words. At a lover’s urging, he changed his name to Rainer, which he thought sounded more masculine. He is probably the best-known twentieth-century German-language poet, best known for his Duino Elegies, his Sonnets to Orpheus, and his New Poems. In the Duino Elegies—his most important work—and his other poems, Rilke combined knowledge of classical literature with a mystical sense of existence and religion.

 

New Spring

english translation

New Spring

original German poem

Neuer Frühling

  XL

Die holden Wünsche blühen,
Und welken wieder ab,
Und blühen und welken wieder—
So geht es bis ans Grab.

Das weiß ich, und das vertrübet
Mir alle Lieb und Lust;
Mein Herz ist so klug und witzig,
Und verblutet in meiner Brust.

 

In the Dream

english translation

In the Dream

original German poem

Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig

Im Traum sah ich ein Männchen klein und putzig,
     Das ging auf Stelzen, Schritte ellenweit,
     Trug weiße Wäsche und ein feines Kleid,
     Inwendig aber war es grob und schmutzig.

Inwendig war es jämmerlich, nichtsnutzig,
     Jedoch von außen voller Würdigkeit;
     Von der Courage sprach es lang und breit,
     Und tat sogar recht trutzig und recht stutzig.

„Und weißt du, wer das ist? Komm her und schau!“
     So sprach der Traumgott, und er zeigt mir schlau
     Die Bilderfluth in eines Spiegels Rahmen.

Vor einem Altar stand das Männchen da,
     Mein Lieb daneben, beide sprachen: Ja!
     Und tausend Teufel riefen lachend: Amen!

 

Terese Coe

Terese Coe’s poems and translations have appeared in Able Muse, Agenda, Alaska Quarterly Review, Cincinnati Review, the Moth, New American Writing, New Writing Scotland, Ploughshares, Poetry, Poetry Review, Stinging Fly, Threepenny Review, and the TLS, among many other journals. Her collection Shot Silk was listed for the 2017 Poets Prize, and she has received grants from Giorno Poetry Systems and Vermont Studio Center. Copies of her poem “More” were heli-dropped across London as part of the 2012 Olympics Rain of Poems.

 

Heinrich Heine

Heinrich Heine was born in Düsseldorf, Germany in either 1797 or 1799. In 1831 he took exile in France, where he often struggled financially despite irregular patronage from a millionaire uncle. With freedom of speech, he developed an international reputation for the lyricism, wordplay, irony, and excoriating satire of his poems, and was called the last of the Romantics. In 1841 he married Crescence Eugénie Mirat (“Mathilde”), who cared for him during eight years of paralysis; he wrote from bed until his death in 1856.

 

Heinrich Heine

Heinrich Heine was born in Düsseldorf, Germany in either 1797 or 1799. In 1831 he took exile in France, where he often struggled financially despite irregular patronage from a millionaire uncle. With freedom of speech he developed an international reputation for the lyricism, wordplay, irony, and excoriating satire of his poems, and was called the last of the Romantics. In 1841 he married Crescence Eugénie Mirat (“Mathilde”), who cared for him during eight years of paralysis; he wrote from bed until his death in 1856.

 

Heinrich Heine

Heinrich was born in Düsseldorf, Germany in either 1797 or 1799. In 1831 he took exile in France, where he often struggled financially despite irregular patronage from a millionaire uncle. With freedom of speech he developed an international reputation for the lyricism, wordplay, irony, and excoriating satire of his poems, and was called the last of the Romantics. In 1841 he married Crescence Eugénie Mirat (“Mathilde”), who cared for him during eight years of paralysis; he wrote from bed until his death in 1856.

 

Terese Coe

Terese Coe’s poems and translations have appeared in Able Muse, Alaska Quarterly Review, the Cincinnati Review, New American Writing, Ploughshares, Poetry, Threepenny Review, Agenda, the Moth, New Walk, New Writing Scotland, Poetry Review, the TLS, the Stinging Fly, and many other publications and anthologies. Her poem “More” was heli-dropped across London in the 2012 London Olympics Rain of Poems, and her latest collection of poems, Shot Silk, was published by Kelsay Books.

 

Five Poems

english translation

Five Poems

original German poem

I.

Wenn ich nur wüßte,
Worauf dein letzter Blick ruhte.
War es ein Stein, der schon viele letzte Blicke
Getrunken hatte, bis sie in Blindheit
Auf den Blinden fielen?

Oder war es Erde,
Genug, um einen schuh zu füllen,
Und schon Schwarz geworden
Von soviel Abschied
Und von soviel Tod bereiten?

Oder war es dein letzter Weg,
Der dir das Lebewohl von allen Wegen brachte
Die du gegangen warst?

Eine Wasserlache, ein Stück spiegelndes Metall,
Vielleicht die Gürtelschnalle deines Feindes,
Oder irgend ein anderer, kleiner Wahrsager
Des Himmels?

Oder sandte dir diese Erde,
Die keinen ungeliebt von hinnen gehen läßt
Ein Vogelzeichen durch die Luft,
Erinnernd deine Seele, daß sie zuckte
In ihrem qualverbrannten Leib?

 

II.

Chor der Waisen

Wir Waisen
Wir klagen der Welt:
Herabgehauen hat man unseren Ast
Und ins Feuer geworfen –
Brennholz hat man aus unseren Beschützern gemacht –
Wir Waisen liegen auf den Feldern des Einsamkeit,
Wir Waisen
Wir klagen der Welt:
In der Nacht spielen unsere Eltern Verstecken mit uns –
Hinter den schwarzen Falten der Nacht
Schauen uns ihre Gesichter an,
Sprechen ihre Münder:
Dürrholz waren wir in eines Holzhauers Hand –
Aber unsere Augen sind Engelaugen geworden
Und sehen euch an,
Durch die schwarzen Falten der Nacht
Blicken sie hindurch –
Wir Waisen
Wir klagen der Welt
Steine sind unser Spielzeug geworden.
Steine haben Gesichter, Vater- und Muttergesichter
Sie verwelken nicht wie Blumen, sie beißen nicht wie Tiere –
Und sie brennen nicht wie Dürrholz, wenn man sie in den Ofen wirft –

Wir Waisen wir klagen der Welt
Welt warum hast du uns die weichen Mütter genommen
Und die Väter, die sagen: Mein Kind du gleichst mir!
Wir Waisen gleichen niemand mehr aud der Welt!
O Welt
Wir klagen dich an!

        

III.

Engel der Bittenden,
nun wo das Feuer wie ein reißendes Abendrot
alles Bewohnte verbrannte zu Nacht –
Mauern und Geräte, den Herd und die Wiege,
die alle abgefallenes Stückgut der Sehnsucht sind –
Sehnsucht, die fliegt im blauen Segel der Luft!

Engel der Bittenden,
auf des Todes weißem Boden, der michts mehr trägt,
wächst der in Verzweiflung gepflanzte Wald.
Wald aus Armen mit der Hände Gezweig,
eingekrallt in die Feste der Nacht, in den Sternenmantel.
Oder den Tod pflügend, ihn, der das Leben bewahrt.

Engel der Bittenden,
im Wald der nicht rauscht,
wo die Schatten Totenmaler sind
und die durchsichtigen Tränen der Liebenden
das Samenkorn.
Wie vom Sturm ergriffen, reißen
die mondverhafteten Mütter ihre Wurzeln aus
und mit Knistern der Greise Dürrholz verfällt.
Aber immer noch spielen die Kinder im Sande,
formen übend ein Neues aud der Nacht heraus
denn warm sind sie noch von der Verwandlung.

Engel der Bittenden,
segne den Sand,
laß ihn die Sprache der Sehnsucht verstehn,
daraus ein Neues wachsen will aus Kinderhand,
immer ein Neues!

 

IV.

Wenn der Tag leer wird
in der Dämmerung,
wenn die bilderlose Zeit beginnt,
die einsamen Stimmen sich verbinden –
die Tiere nichts als Jagende sind
oder gejagt –
die Blumen nur noch Duft –
wnn alles namenlos wird wie am Anfang –
gehst du unter die Katakomben der Zeit,
die sich auftun denen, die nahe am Ende sind –
dort wo die Herzkeime wachsen –
in die dunkle Innerlichkeit hinab
sinkst du –
schon am Tode vorbei
der nu rein windiger Durchgang ist –
und schlägst frierend vom Ausgang
deine Augen auf
in denen schon ein neuer Stern
seinen Abglanz gelassen hat –

 

V.

Der Schlafwandler
kreisend auf seinem Stern
an der weißen Feder des Morgens
erwacht –
der Blutfleck darauf erinnerte ihn –
läßt den Mond
erschrocken fallen –
die Schneebeere zerbricht
am schwarzen Achat der Nacht
traumbesudelt –

Kein reines Weiß auf Erden –

 

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